DER OBERE MARKTPLATZ

Das Rathaus

Das Olmützer Rathaus (Radnice), das über dem Oberen Marktplatz (Horní náměstí) thront, ist bereits seit 600 Jahren ein Symbol der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung der einstigen Königsstadt und mährischen Hauptstadt. Heute ist es das wichtigste Olmützer Denkmal der profanen Architektur mit einer öffentlichen bzw. repräsentativen Funktion, das noch immer seinem ursprünglichen Zweck dient. Bis heute hat die Stadtverwaltung hier ihren Sitz.

Der Markgraf von Mähren, Jobst von Mähren, erlaubte auf Grundlage eines Privilegs aus dem Jahr 1378 den Bau des Rathauses mit dem Kaufmannshaus. Zunächst bestand es aus Holz, brannte jedoch um 1417 ab. Der Neubau begann um 1420, diesmal aus Bruchstein und mit einem bis heute erhaltenen Grundriss. Das weitläufige, dreiflügelige Gebäude, das um einen länglichen Hof angeordnet ist, hatte damals zwei wichtige Funktionen: Zum einen war es ein Rathaus, zum anderen eine Markthalle. Im Erdgeschoss des prunkvolleren Ostflügels dominierte eine zweigeteilte Eingangshalle mit Kreuzgratgewölbe (Maßhaus), von welcher aus eine Spindeltreppe in das obere Stockwerk führte. Über diese gelangte man in den Sitzungssaal des Rates und zur Stadtkanzlei, die beide mit dem im ersten Stock des Rathausturms untergebrachten Archiv verbunden waren. Im Erdgeschoss des Nord- bzw. Südflügels befanden sich in den Gewölben die Läden der Olmützer Kaufleute, die jeweils vom Hof auf zugänglich waren. Etwa im hintersten, östlichen Teil beider Flügel befanden sich Durchgänge, die den Innenhof mit dem Platz vor dem Rathaus verbanden. Der Bau dieses Gebäudeteils wurde 1443 mit der Überdachung des Rathausturmes abgeschlossen.

Während der 20 Jahre währenden Herrschaft über Mähren des ungarischen Königs Matthias Corvinus wurde das Rathaus zu einem prächtigen Sitz umgebaut. Damals wurden die Voraussetzungen für die spätere Blütezeit von Olmütz im 16. Jahrhundert geschaffen. Die Umbauarbeiten begannen 1474 und betrafen zunächst beide Flügel des ehemaligen Kaufmannshauses, das um ein zweites Stockwerk erweitert wurde. Einen wesentlichen Teil des ersten Stocks des Südflügels nahm ein zweischiffiger Saal ein, in dem das Stadtgericht tagte. Im ersten Stock des Nordflügels wurde ein neuer Saal namens Publikační errichtet. Die beiden länglichen Flügel des Rathauses wurden durch einen neuen Westflügel miteinander verbunden, in dem die Büros zur Verwaltung der Stadtgüter untergebracht waren. Im Erdgeschoss befand sich ein von außen zugänglicher Raum mit der Stadtwaage; die benachbarten Kaufmannsläden unterhalb des Gerichtssaals wurden in ein Waffenarsenal, eine Wachstube, ein Gefängnis und eine Folterkammer umgewandelt. Das Rathaus zeigte sein milderes Gesicht gen Norden, wo zur gleichen Zeit, also während der Spätgotik, ganz in der Nähe des Rathausturm die prächtige gemauerte Nische mit Spitzbogen entstand, in die die Astronomische Uhr gebettet wurde (s. Kapitel über die Astronomische Uhr). Auf der gegenüberliegenden Seite des Ostflügels konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf die Hieronymus-Kapelle (Kaple sv. Jeronýma) im ersten Stock, die 1488 vollendet wurde. Das Netzgewölbe des Kapellenschiffs ruht auf unregelmäßig verteilten Kragsteinen und das Presbyterium sieht aus, als sei es aus dem Rathausgebäude heraus geschoben worden – in Form eines dreiseitigen Erkers, der von einem Sterngewölbe überdacht ist (übrigens das erste dieser Art nördlich der Donau). Außen ruht das Gewicht des Erkers auf einem figuralen Kragstein – einer männlichen Büste, die angeblich den Baumeister höchstpersönlich darstellen soll. Der einzige Teil der Rathauses, der vermutlich nicht im spätgotischen Stil umgebaut wurde, war Ende des 15. Jahrhunderts die Ostfassade. 1529 wird erstmals erwähnt, dass die Gestalt der Ostfassade geändert wurde – damals wurde der Ratsherrensaal zuerst umgebaut und dann mit einem neuen Gewölbe versehen. Die Salvatorkapelle in Wien diente als Vorbild für die Umbaumaßnahmen dieses Saals sowie für die Verzierungen des Renaissance-Portals. Als Krönung fügte schließlich 1591 der Steinmetz Hans Jost eine manieristische Loggia hinzu. Diese diente sowohl dem feierlichen Einmarsch in den Sitzungssaal als auch verschiedenen zeremoniellen Zwecken. Zum zweihundertsten Jubiläum des Olmützer Rathauses wurde zwischen 1601 und 1607 der Rathausturm auf seine heutige Höhe von 75 Metern aufgestockt. Über dem steinernen Wandelgang wurden ein Turmaufsatz mit helmförmigem Dach und vier pyramidenförmige Türmchen angebracht.
Das 18. Jahrhundert war vor allem wegen der Umbaumaßnahmen im Barock-Stil in den 1720er Jahren prägend. Das 19. Jahrhundert hingegen brachte die schrittweise Entfernung von der ursprünglichen Gestalt. Ab 1849 war das Rathaus gezwungenermaßen 50 Jahre lang der neue Sitz des neu geschaffenen Kreisgerichts. Im Jahr 1899 begann man über eine Grundsanierung des Gebäudes nachzudenken, wobei das Augenmerk auf einen Umbau in ein prunkvolles, romantisches Gebäude im historisierenden Stil gelegt wurde. Die 1904 vollendeten Renovierungsarbeiten wurden jedoch schon sehr bald von zahlreichen Experten massiv kritisiert – zu Recht.
Das 20. Jahrhundert trug nur unwesentlich zur Baugeschichte des Olmützer Rathauses bei – u.a. wurde die Aposteluhr von Karel Svolinský im Stil des sozialistischen Realismus umgestaltet. In den 1990er Jahren wurden schließlich alle Dächer und Fassaden sowie die Erker der Rathauskapelle restauriert, das Erdgeschoss des Ostflügels wurde wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und die Galerie und das Kaffeehaus „Caesar“ öffneten erstmals wieder ihre Türen.

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Kapesní obrazový průvodce OlomoucOlmütz (Olomouc) auf der Landkarte

Der ursprüngliche Grundriss des Rathausesstammt aus dem frühen 15. Jahrhundert, Bildquelle: Archiv Vydavatelství MCU s.r.o., Foto: Libor ...
Der Innenhof des Rathauses, Bildquelle: Archiv Vydavatelství MCU s.r.o., Foto: Libor Sváček
Unweit des Rathausgebäudes, im Edelmann- Palast auf dem Oberen Marktplatz, lebte 1829-1831 einer der bedeutendsten Heerführer seiner Zeit, der ...
Auf der Süd-Seite des Rathauses ist unter demgotischen Erker die Büste eines Mannes mitaufgehaltener Hand zu sehen., Bildquelle: Archiv ...
1/ Dreifaltigkeitssäule 2/ Oberer Marktplatz 3/ Herkules-Brunnen 4/ Arion-Brunnen 5/ Rathaus 6/ Caesar-Brunnen 7/ Neptun-Brunnen 8/ ...
Der Trauungssaal des Rathauses, Bildquelle: Archiv Vydavatelství MCU s.r.o., Foto: Libor Sváček